Lore Lisel Israel

Lisel Lore Israel, verheiratete Wolff, wurde am 22. Juni 1922 in Kassel als Einzelkind geboren. Ihre Familie wohnte damals in der Unteren Königsstraße 83, zog zwei Jahre später in die Ulmenstraße 15 und nach weiteren 7 Jahren in die Annastraße 13. Über ihre Grundschulzeit gibt es keine Hinweise,  möglicherweise hat sie diese in der Jüdischen Schule verbracht.

Ab Ostern 1932 besuchte sie die moderne, neue Malwida von Meysenbug-Schule (die heutige Heinrich-Schütz-Schule).  Ihre Eltern und eine Tante wohnten inzwischen (seit September 1933) in der Herkulesstraße 107, nur wenige Meter von der Schule entfernt.

Viele Töchter wohlhabender jüdischer Familien aus dem Vorderen Westen besuchten dieses Mädchengymnasium. Die meisten von ihnen wanderten in den folgenden Jahren mit ihren Familien aus oder wurden allein mit Kindertransporten nach England geschickt und entkamen so der Vernichtung. Die Schülerin Gretel Hoffmann erinnerte sich später in Chicago an ihre Schulzeit bis 1933:

 „Vor 1933 wusste ich nicht viel vom Nationalsozialismus: ich lernte, dass Leute, die Hakenkreuze tragen, antisemitisch sind und es gut ist, ihnen auszuweichen. Ich kann mich an keine offizielle Diskriminierung in der Schule erinnern; doch wenn meine Schulgenossen und sogenannte -freunde von einem Tag zum andern sich zum  Nationalsozialismus bekannten und ein Hakenkreuz trugen, so war das schmerzlich für mich und ich fühlte mich isoliert...“

 

Die Ausgrenzungen nahmen dann massiv zu, Ruth Wertheim (bis 1934) erinnerte sich in Haifa:

„ …, andere (Lehrer) waren Nationalsozialisten und ließen es mich spüren, aber sie waren gerecht und gaben mir die Noten, die mir zukamen. Es war für mich ein großer Schlag, die Schule zu verlassen, nicht zu studieren, denn ich liebte meine Schule sehr, doch wusste man, dass man mich nach 1934 nicht mehr zu Abitur zulassen würde.“...

 

Mit 15 1/4 Jahren verließ Lisel Lore Israel die Schule zu Ostern 1937,  auch sie hatte keine Chance mehr dort, an Abitur war nicht mehr zu denken. Sie ging zur Handelsschule heißt es im Abgangszeugnis. Ihre Klassenkameradin Hildegard Cramer bezweifelt das jedoch und sagt, sie habe nie eine Handelsschule besucht.

 

Im Herbst 1937 ist sie nach Köln verzogen, 18 Monate später war sie wieder bei ihrer Familie in Kassel. Danach wechselte sie bis September 1941 sieben Mal zwischen Berlin und Kassel, jeweils für wenige Tage oder Wochen.

Zuletzt wieder in Berlin, scheint sie noch geheiratet zu haben, einen Nachweis über ihre Heirat gibt es weder im Standesamt Kassel noch in Berlin. In den Entschädigungsakten des Hessischen Staatsarchivs Wiesbaden gaben ihre ausgewanderten Verwandten später an, dass sie eine verheiratete Wolff war. Unterlagen über ihre Heirat oder die Identität des möglichen Ehemanns sind laut Auskunft des Kasseler Standesamts und der Berliner Meldebehörden nicht vorhanden. In der Berliner Deportationsliste Nr. 31 ist sie mit ihrem Mädchennamen als Untermieterin in der Chausseestraße 18 in Berlin aufgeführt.

 


Unter der Nr. 1376 ist Liesel Lore auf der Deportationsliste des Osttransports Nr. 31 (von Berlin-Moabit nach Auschwitz) verzeichnet. Die  Zeile mit ihrem Namen ist hier an der linken Seite zu sehen.

 Am 27.2.43 wurden in einer reichsweiten Aktion sämtliche noch in den Rüstungsbetrieben beschäftigte Juden von ihren bisherigen Arbeitsstätten entfernt. Die bei dieser später auch als "Fabrikaktion" bezeichneten Maßnahme des RSHA erfassten "Volljuden", die bis dahin aufgrund des kriegswichtigen Arbeitseinsatzes von der Deportation zurückgestellt waren, sollten für den Arbeitseinsatz im Buna-Werk nach Auschwitz deportiert werden.

Von den 1736 Personen auf der Liste wurden am 2.3.1943 im Konzentrationslager lediglich 677 jüdische Häftlinge als arbeitsfähig neu registriert Die übrigen 1059 Männer, Frauen und Kinder des 31. Osttransports wurden demnach sofort ermordet.

  • Lisel Lore Israel hat in Berlin zuvor (vermutlich) in der Rüstungsindustrie arbeiten müssen. Dafür spricht auch der mehrfache kurzzeitige Wechsel zurück nach Kassel (Urlaub?).

Da sie in Auschwitz nicht registriert ist, gehört sie vermutlich zu den Deportierten des 31. Transports, die sofort nach der Ankunft ermordet worden sind.

 

Hilde Cramer, die auch das Foto von Lisel Lore zur Verfügung gestellt hat, schrieb 1985 rückblickend über ihre Freundin und das Schicksal der Familie Israel:

Lisel Israel wohnte mit ihren Eltern und einer alten Tante, Schwester ihres Vaters, in einer kleinen Wohnung in den Häusern der Goethe-Anlage im ersten Block, rechts von der Schule aus gesehen. Die Eltern lebten sehr bescheiden und hatten keine Möglichkeit auszuwandern. Lisel hätte mit einem Kindertransport nach England auswandern können, aber da sie das einzige Kind war, wollte sie ihre Eltern nicht verlassen. Lisel und ich waren unzertrennlich, und sie verließ die Malwida von Meysenbug-Schule gleichzeitig mit mir, da das Leben dort nicht mehr zu ertragen war. Sie hat nie eine Handelsschule besucht, wie es in ihrem Abschiedszeugnis steht. Wir waren befreundet bis zu meiner Auswanderung im Februar 1939, und ich habe danach nie mehr etwas von ihr gehört.   (Hilde Cramer, Santiago de Chile 4.3.1985)

 

Zum Schicksal ihrer Familie (Vater, Mutter, Tante) siehe hier

Quellen: Stadtarchiv Kassel – Meldekarten und Hausstandsbücher

Magistrat der Stadt Kassel (Hg.): Namen und Schicksale der Juden Kassels – 1933 bis1945.   Ein Gedenkkuch (bearbeitet von B. Kleinert und W. Prinz), Kassel 1986

Hessisches Staatsarchiv Wiesbaden – Entschädigungsakte Moritz Israel        ( http://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger.html.)

Zitate der Schülerinnen aus:

D. Heither, W. Matthäus und B. Pieper: „Als jüdische Schülerin entlassen“ - Erinnerungen und Dokumente zur Geschichte der Heinrich-Schütz-Schule in Kassel, Kassel, 1984


Gudrun Schmidt, Jürgen Strube 19.5.2015

 

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