Ruth Burghardt wurde im Jahre 1924 in Berlin geboren. Ihre Mutter Martha Elias (1895-1944) wohnten zusammen mit ihr und den Großeltern und Marthas Bruder Otto Max
Elias in der Schillerstraße 18 in Kassel. Sie betrieben ein Sportgeschäft in der Kleinen Rosenstraße 1 .
Nach einem antisemitischen Angriff auf den Laden im April 1933 wandert die 10-jährige Ruth zusammen mit ihrer Mutter, deren Bruder und Mutter (der Großvater war 1932 gestorben) in die Niederlande aus. Aus der deutschen, jüdischen Familie wird eine Immigrantenfamilie inmitten zahlreicher deutscher Zuwanderer in Amsterdam. Es folgen Krieg und Massenvernichtung. Von der Elias-Familie aus Kassel überlebt allein die bei Kriegsende 21-jährige Ruth.
Diese verlässt Europa bei der ersten Gelegenheit im Oktober 1946. In Uruguay blüht der kleine Eliaszweig wieder auf. Eine nächste Generation wird geboren, weitere folgen. Die Jahre der Verfolgung und die Schmerzen der Verluste werden als unverarbeitetes Paket durchs Leben getragen und prägen jede Generation der Familie auf eigene Weise. Lügen werden erzählt und Rede- ja sogar Wissensverbote erlassen. Der Fokus liegt auf der Gegenwart. Und die ist wunderbar. Der kleine Familienzweig wächst durch viele Länder und schlägt in der Schweiz wurzeln. Die Familie wird größer und bleibt eine verschworene, debattierende und liebende Gemeinschaft. 2006 verlässt die Überlebende Ruth diese Welt mit Hilfe einer Sterbeorganisation. Unvorstellbar war es für sie, ins Spital zu gehen, wo Fremde über ihr Leben oder Sterben entscheiden konnten. Die in Berlin geborene, in Kassel und Amsterdam aufgewachsene und in Zürich gestorbene Ruth konnte nicht mit dem Tod umgehen, sie konnte die Deutsche Sprache nicht mehr lieben und die Angst ihren Liebsten könnte etwas zustoßen, war stets präsent. Aber sie konnte lachen bis ihr die Tränen kamen. Sie gab einem das Gefühl, beschützt und wertvoll zu sein. Sie kochte die besten Polpetes und ihre gefüllten Eier sind so lecker, dass sie bis heute an keinem Familienfest fehlen dürfen. Ruths älteste Tochter macht sie jetzt.
Bertha, Martha und Ruth haben Nachfahren in der Schweiz und in Frankreich. Diesen fehlten und fehlen Großeltern, Urgroßeltern, Cousins usw., weil viele ihrer Vorfahren ermordet wurden. Aber die Erinnerung und der Familienspruch sind lebendig.
No hai mal que por bien no venga.
2013