Adolf Martin Wilhelm Buchholtz

Luisenstraße 5 (früher 5 ½ )

Adolf Buchholtz wurde in Lauenburg/Elbe (Schleswig-Holstein) als Sohn von Franz Johann Erdmann Buchholtz (*1849) und Auguste Rosette Nohren (*1855) geboren. Sie hatten 1874 geheiratet und Adolf wurde, neben den Brüdern Bruno und Franz, in diese evangelische Familie geboren. Den Lebensunterhalt verdiente Franz als Goldschmied oder Goldarbeiter, was wahrscheinlich auch Adolfs spätere Berufswahl beeinflusst hat. Er besuchte die Bürgerschule und beendete diese nach 10 Jahren. Danach absolvierte er seine Ausbildung im Juweliergewerbe in Oldenburg.

Die anschließende militärische Ausbildung und Gehilfenzeit brachten ihn in die Stadt Thorn (Toruń). In dieser Zeit heiratete er Anna Brieskorn. Die Örtlichkeit und das genaue Datum der Hochzeit lassen sich nicht mehr ermitteln. In Thorn kamen in den Jahren 1905 und 1906 seine beiden Töchter Senta Ella und Ilse zur Welt. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs arbeitete er selbstständig und sicherte so das Auskommen seiner wachsenden Familie. Einem Umzug nach Hamburg folgte im Jahre 1911 die Geburt der dritten Tochter, Anneliese.

1914-1918 diente Adolf im Ersten Weltkrieg im Felde. Vielleicht bewog ihn das im Krieg Erlebte Mitte der 1920er Jahre mit den Bibelforschern in Kontakt zu treten. Im Januar 1928 kam die Familie nach Kassel. In den Folgejahren war er Besitzer (bzw. Betreiber oder Pächter) des Kaffeehauses in der Burgfeldstraße. Zunächst gehörte er von 1928-1930 der NSDAP an, verließ diese aber später auf eigenen Wunsch, da er offenbar deren Ziele mit seinen religiösen Werten und Überzeugungen nicht vereinbaren konnte.

Oben: Das Kaffeehaus in der Burgfeldstraße (Mulang-Archiv Friedrich Forsmann) | Adressbuch Kassel 1931

Unten: Gruppe mit Frost, Hochgräfe, wahrscheinlich Landschneider, Buchholtz in Wilhelmshöhe (Privatarchiv Voelz)                                              

Schließlich ließ er sich im Jahre 1931 von seinem Freund und späterem Mithäftling Julius Hochgräfe als Mitglied der Gemeinde der Kasseler Zeugen Jehovas taufen. In jener Zeit musste Adolf auch einen schweren Schicksalsschlag verkraften. Seine Ehefrau Anna Buchholtz verunglückte am 18.09.1930 tödlich, wahrscheinlich bei einem Verkehrsunfall.

Seine Zugehörigkeit zu den Zeugen brachte erneut eine unerwartete Herausforderung. Nach dem offiziellen Verbot der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung vom 28.02.1933 nahmen Restriktionen und Schikanen gegenüber Zeugen Jehovas an Fahrt auf. Auch ihm war es kaum noch möglich den Lebensunterhalt zu verdienen. Bis 1934 arbeite er aushilfsweise bei der Rentenkasse in Kassel, wurde dort jedoch wegen seiner Glaubenszugehörigkeit entlassen. Mit seiner Tochter Anneliese lebte er bis zu ihrer Heirat am 18.04.1936 im gemeinsamen Haushalt. Für beide war es sehr schwer, sich finanziell über Wasser zu halten. Im Oktober 1936 wurde er zum Leiter der Gemeinde der Zeugen Jehovas in Kassel ernannt, da sein Freund und Weggefährte, Julius, der diese Aufgabe bis dahin erfüllte, bereits im Visier der Behörden stand und einer Aufenthaltsbeschränkung und Meldepflicht unterstand.

 

 Liste der SS Oberabteilung Fulda-Werra (BA Berlin)
Liste der SS Oberabteilung Fulda-Werra (BA Berlin)

In einer Liste der SS Oberabteilung Fulda-Werra aus der Mitte 30er Jahre fand man auch Adolf Buchholtz, neben vielen anderen aus der Kasseler Gemeinde. Im Begleitschreiben wurde auf die vermeintliche Gefährlichkeit für die Volksgemeinschaft verwiesen und angeordnet das Mittel der sogenannten Schutzhaft auf die Zeugen anzuwenden. Am 20.11.1936 wurde er um 4 Uhr morgens in der Luisenstraße 5 ½ durch die Gestapo verhaftet und für einige Tage in das Untersuchungsgefängnis am Unterneustädter Kirchplatz (Elwe) gebracht. Trotzdem beteiligte er sich dann Anfang Dezember an den geheimen Vorbereitungen für die Verteilung eines besonderen Flugblattes. Die Öffentlichkeit sollte landesweit auf die Verbrechen des NS-Regimes und die Verfolgung unliebsamer Gruppen aufmerksam gemacht werden. In Kassel wurden in den frühen Abendstunden des 12. Dezember etwa 2000 Flugblätter verbreitet. In den Folgetagen wurden mehrere Mitglieder der örtlichen Gemeinde verhaftet, darunter auch Adolf.

Karte des Kasseler Gefängnisses
Karte des Kasseler Gefängnisses

Am 23. Dezember wurde er zunächst zur Gestapo in das Polizeipräsidium in Kassel im Königstor überstellt. In den manchmal nur 3,5 Quadratmeter großen Zellen wurden Inhaftierte verhört und auch gefoltert. Zu diesem Zeitpunkt war Adolf 59 Jahre alt. Vorliegende Dokumente zeigen, dass er bereits in jener Zeit auf ärztliche Versorgung angewiesen war. Man kann nur erahnen, wie sehr ihm bereits die Untersuchungshaft zusetzte.

Danach, am 8. Februar 1937, wurde er in das Zuchthaus Kassel-Wehlheiden gebracht. Zu dem Zeitpunkt waren in Wehlheiden neben 10 Angehörigen der Kasseler Gemeinde auch 20 - 25 weitere Glaubensbrüder aus ganz Deutschland inhaftiert. Eine zu erwartende Verurteilung würde darüber entscheiden, ob Adolf die ersten Lebensjahre seines ungeborenen Enkelkindes miterleben würde oder nicht.

Urteilsbegründung (Sächsisches StA Dresden)
Urteilsbegründung (Sächsisches StA Dresden)

Am 12.05.1937 begann um 9:00 Uhr die Hauptverhandlung des sogenannten Sondergerichtes gegen ihn und fünf weitere Mitangeklagte. Das Urteil lautete: 3 Jahre und 6 Monate Haft, wegen Hochverrat und staatszersetzendem Handeln. Seine Bücher wurden eingezogen und die Kosten des Verfahrens trug er selbst.

Am 19.05.1937 erfolgte die Verlegung in das Strafgefängnis nach Hannover, in dem er einen knappen Monat blieb. Berlin Plötzensee war sein nächster Aufenthaltsort. Obwohl er dort nur 3 Monate verbrachte, muss er damit wohl eines der traumatischsten Ereignisse in seiner Haftzeit verbunden haben. Seine damalige Verlobte Hedwig berichtete rückblickend später, dass er während seiner weiteren Haftzeit Berichte aus Plötzensee über Hinrichtungen mehrerer seiner Glaubensbrüder in Plötzensee verkraften musste.

Im September 1937 wurde er nach Brandenburg/Havel verbracht. Im dortigen Gefängnis blieb er 1½ Jahre bis zum Januar 1939. Doch auch hier sollte nicht sein letzter Haftort gewesen sein.

In Berlin-Tegel kam er am 05.01.1939 an und blieb dort bis zum offiziellen Haftende am 12.10.1940. In dieser Zeit war er auf 55 kg bei 1,71 Meter abgemagert. Der Gefangene Nr. 2492 erlitt in währenddessen diverse Verletzungen durch Arbeitsunfälle. Nahezu während seiner gesamten Haftzeit war er in den verschiedenen Gefängnissen gleichzeitig mit Julius Hochgräfe untergebracht – wahrscheinlich ein kleiner Lichtblick in dunklen Zeiten.

Dass er zum offiziellen Ende seiner Strafe als gesund und arbeitsfähig eingestuft wurde, ist kaum zu verstehen. Offensichtlich blieb er in seiner inneren Überzeugung ungebrochen. Am 12.10.1940 wurde er mit den Hinweisen „ob eine Wandlung erfolgt ist, ist zweifelhaft“ und „politisch hat er sich nicht brauchbar gemacht“ der Gestapo in Berlin übergeben.

Man brachte ihn zur Staatspolizeileitstelle am Berliner Alexanderplatz, um dort endgültig über seine Freilassung zu entscheiden. Die Haftbedingungen hier waren noch unmenschlicher als zuvor. In einer Zelle voll Ungeziefer, die für 10 Personen ausgelegt war, wurden zeitweise 25 Häftlinge untergebracht. Am Montag, den 10.02.1941, endete vorläufig für Adolf diese Leidenszeit.

Gefängniskarte Plötzensee und Vermerk der Vollzugsanstalt Tegel (Landesarchiv Berlin A Rep 369)

 

Er kehrte zunächst nach Kassel zurück und zog zu seiner Tochter. Im August des Jahres 1941 erkrankte er für 4 Wochen an einer schweren Lungenentzündung. Seine Verlobte Hedwig heiratete er im Alter von 64 Jahren, am 23.05.1942. Im Herbst 1942 musste er erneut wegen Lungen- und Rippenfellentzündungen behandelt werden. Er litt unter zunehmender Schwäche und starken Schmerzen, die aufgrund Medikamentenmangels kaum gelindert werden konnten. Adolfs Gesundheitszustand verschlechterte sich zunehmend; die psychische Belastung war enorm. Bis April 1943 war er ständig wegen Bronchitis, cerebralen Problemen und Entkräftung in Behandlung. Nach kurzem Krankenhausaufenthalt verstarb er mit 65 Jahren am 04.Mai 1943 im damaligen Behelfskrankenhaus in der Jugendherberge an der Tannenstraße/Emmerichstraße. Ob Adolf an einer durch die Haftzeit erworbenen chronischen Erkrankung, wie z. B. an Tuberkulose, verstarb, kann abschließend nicht vollständig geklärt werden, da medizinische Unterlagen kaum noch vorhanden sind.

 

Marie und Leni Kuffner / Eileen Weigmann / Sara Piotrowsky / Fil Klosse / Johannes Lange / Ismael Merz

Wilfried Siegner

 

Verlegung am 29.6.2024

 

 

Die Ziele des Vereins

Hier können Sie Kontakt mit uns aufnehmen.