Ilse Felsenthal

Mönchebergstraße 18

Bruder Josef, Ilse, Mutter Berta, Vater Meer Voremberg   vor dem Haus Mönchebergstraße 16 1/2  Kassel um 1930 (aus dem Familienalbum fotografiert von Frank-Matthias Mann)
Bruder Josef, Ilse, Mutter Berta, Vater Meer Voremberg vor dem Haus Mönchebergstraße 16 1/2 Kassel um 1930 (aus dem Familienalbum fotografiert von Frank-Matthias Mann)

Ilse wurde am 19.10.1912 in Kassel als jüngstes Kind von Meier Voremberg (*22.03.1873 in Meimbressen) und seiner Ehefrau Berta Voremberg, geb. Löwenstein (22.12.1880 in Richelsdorf) in der Mönchebergstraße 16 ½ in Kassel geboren. Ilse hatte drei ältere Brüder: Harry, * 03.07.1902; Josef, * 04.11.1903 und Erich, * 21.02.1908).

 Ihr Vater Meier Voremberg entstammte einer alteingesessenen jüdischen Familie in Meimbressen (1861: 134; 1905: 117; 1933: 70 jüdische Einwohner). Meier hatte der Synagogengemeinde als aktives Mitglied angehört und nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg teil.

 Um 1900 war Meier mit seiner Frau Bertha, geb. Löwenstein aus Richelsdorf bei Gerstungen, nach Kassel in die Mönchebergstr. 16 ½ gezogen. Sie heirateten am 07.05.1901 in Kassel. Bertas Eltern besaßen einen Hof in Richelsdorf auf den die Kinder so häufig wie möglich fuhren.

 Ilse besuchte nach dem Kindergarten das Privat-Lyceum, das von Ehepaar Hoche geführt wurde bis zu seiner Auflösung durch die Nazis. Die restliche Schulzeit absolvierte sie in der Amalienschule



In der Amalienschule ereignete sich folgende Geschichte: Es fand eine Schulinspektion durch NS-Parteifunktionäre statt. Als Beispiel eines arischen Mädchens mit ihren blonden Zöpfen und blauen Augen hießen sie Ilse aufstehen und führten an ihr die – vermeintlich –„arischen Rassemerkmale“ vor. Der Lehrer und die Klasse hielten die Luft an und verschwiegen Ilses wahre Identität…

Die Brüder Harry, Josef und Erich besuchten ebenfalls Kasseler Schulen. Nach erfolgreicher Beendigung ihrer Schulzeit begann Ilse eine drei-jährige Lehre als Schneiderin bei Fräulein Wolfram in der Fünffensterstraße, die sie mit Auszeichnung abschloss.Ilse war Fahrradfahrerin. Während ihrer Schneiderinnen-Ausbildung hatte sie einen Unfall mit dem Fahrrad: Sie kollidierte mit einem Auto, das keinem anderen als Roland Freisler gehörte. Selbstverständlich wurde das „Juden-Mädchen“ als Schuldige verurteilt.

Ilse war herausragende Sportlerin des jüdischen Sportvereins Bar Kochba und nahm an vielen Wettkämpfen auch außerhalb Kassels teil.1935 reiste sie, 22-jährig, zur Maccabiade (der „jüdischen Olympiade“) im damals britisch besetzten Palästina. Es war die zweite in Palästina stattfindende Maccabiade (02. bis 07.04.1935), die von der Mehrheit der deutsch-jüdischen Teilnehmer als Chance genutzt wurde Nazi-Deutschland den Rücken zuzukehren und nicht in die Geburtsstadt zurück zu reisen. Es war allgemeines Verständnis des Bar Kochba Sportbundes, dass „diese jungen jüdischen Menschen Palästina aufbauen.“ (Jüdische Rundschau, 01.12.1933).

Ilse Felsenthal  (Bildmitte, am Tisch)  im Kreis von Freundinnen  im Cefé Mersand in Tel Aviv  1990  (Foto: Frank Matthias Mann)
Ilse Felsenthal (Bildmitte, am Tisch) im Kreis von Freundinnen im Cefé Mersand in Tel Aviv 1990 (Foto: Frank Matthias Mann)

Am 5. Mai 1935 meldete ihr Vater sie im Polizeipräsidium Kassel als „nach Palästina verzogen“ ab.

Es war die schmerzhafteste Zäsur ihres Lebens: der große Abschied von Kassel, ihrer Heimatstadt.

In Tel Aviv fand sie Aufnahme bei ihrem Bruder Harry, der als Zionist bereits mit seiner Familie dort lebte.

Ihre beiden anderen Brüder gingen „aus nationalistischen Gründen“, wie Ilse sagte, in die USA beziehungsweise nach Frankreich.

1936 heiratete sie den Kasseler Juden Walter Felsenthal (*26.09.1910; Hochstätten/ Pfalz; gestorben am 14.08.1992) in Tel Aviv. Während des Unabhängigkeitskrieges 1948 wurde ihre Tochter Gaby geboren.

Ilse Felsenthal war 1972 Gründungsmitglied und dann letzte Vorsitzende des „Vereins ehemaliger Kasselaner in Israel“, dem etwa 120 Mitglieder angehörten. Viele Israel-Reisende aus Nordhessen, ob in Gruppen oder privat, haben die lebensfrohe Dame kennen gelernt, die für ihre Verdienste von ihrer Geburtsstadt vielfach geehrt wurde (Ehrennadel der Stadt, Stadtmedaille, Bundesverdienstkreuz am Bande etc.).

Ilse Felsenthal starb am 16.03.2005 in Tel Aviv.

 

Quellen: Engelhardt, Axel; Link, Alexander; Wegner, Karl-Hermann: Am Möncheberg. Geschichte und Gegenwart einer Kasseler Straße. Kassel. 1997. 64 – 70

Greif, Gideon; McPherson, Colin; Weinbaum, Laurence (Hg.): Die Jeckes. Deutsche Juden aus Israel erzählen. Köln. 2000. 101 – 103

Kirchhoff, Hans R. (Hg.): Ihre Mundart nahmen sie mit in die neue Heimat. in: ders. Zeitreise. 1100 Jahre Leben in der Region Kassel. Göttingen. 2007. 153

Zeitungsartikel: HNA Kassel vom: 09.08.1975; 1976 (o.Dat); 17.09.1996; 27.08.1997; 08.05.1998; 07.08.2001; 21.10.2002; 21.03.2005; 25.07.2009

Extra Tip Kassel vom: 23.05.1991; 21.07.1994; 08.09.1996; 27.08.1997; 09.05.1998; 04.06.2000; 07.08.2001; 22.08.2001; 17.03.2005; 20.03.2005

Die Welt vom 18.11.2000

Israel Nachrichten (Tel Aviv) vom 20.12.1996, 04.04.1997, 08.10.2000; 01.11.2002; 15.04.2005

 

Frank-Matthias Mann

 

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