Gertrud Oppenheim, geb. Frank

ihre Töchter und Söhne

Agnes, Paul, Susanne, Franz, Marianne und Ernst Walter

Sternbergstraße 11

Im Gedenkbuch „Namen und Schicksal der Juden Kassels“ sind 50 Menschen mit dem Namen Oppenheim aufgeführt. Sie haben 1933 in Kassel gelebt. Für 6 von ihnen liegen an anderer Stelle bereits Stolpersteine. Sie sind deportiert und ermordet worden. Unsere Oppenheims haben überlebt. Aber auch die Vertreibung aus der Heimat hat Wunden geschlagen.

 

Seit 1868 ist in Cassel die Lederhandlung M. Oppenheim & Söhne ansässig. Das M. steht für Michael. Die oben benannten Töchter und Söhne sind die Urenkel des Firmengründers Michael. Ihr Vater Louis Siegfried Oppenheim war ab 1913 durch Erbfolge Mitinhaber von Oppenheim und Söhne geworden. Zusammen mit seiner Schwägerin Henriette Oppenheim, geb. Baumann.

Aus der Lederhandlung war inzwischen eine Lederfabrik geworden, die ihren Sitz in der Unterneustadt, Wallstraße 1 hatte. Auf einem Geschäftsbriefbogen aus dem Jahre 1908 firmiert das Unternehmen als Vache-Leder-Fabrik, eine Rindslederfabrik. Bis 1927 existierte der Betrieb. Ab 1928 findet sich kein Eintrag mehr im Handelsregister. Es ist eine Annahme, dass das Ende des Unternehmens mit der Wirtschaftskrise der 1920-er Jahre zusammenhängt.

 

Lous Oppenheim
Lous Oppenheim

Louis Siegfried Oppenheim ist 1877 in Kassel geboren. Seine Eltern waren Simon Oppenheim aus Hofgeismar und Julie Michelhausen aus Hersfeld. 1905 Ehe mit Gertrud Frank. Sie ist am 30. September 1885 in Köln geboren. Ihre Eltern sind August Frank und Rosetta Alsberg.

 

Nach ihrer Heirat wohnen Gertrud und Louis Oppenheim in Kassel. Die 8-köpfige Familie war von 1914 bis 1928 in einer Villa im Stadtteil Wilhelmshöhe, Landgraf-Karl-Straße 43 zu Hause. Bis 1928 gehörte sie dem Fabrikanten Louis Oppenheim. Danach endet laut Adressbuch das Eigentum an dem Haus. Die Familie zieht in eine Mietwohnung in der Parkstraße. Und 1932 findet ein weiterer Wohnungswechsel in die Sternbergstraße 11 statt. Die Wohnungswechsel dürften mit der ökonomischen Lage der Familie zusammen hängen.

 

Gertrud Oppenheim
Gertrud Oppenheim

Am 7. Juli 1933 verstirbt Louis Siegfried Oppenheim. Er ist in Kassel, Krähhahnstraße. 7 verstorben. Dieses Haus gehörte damals dem Kasseler Orthopäden Dr. Adolf Alsberg, Onkel von Gertrud Oppenheim. Es ist zu vermuten, dass Louis Patient in der der Privatklinik Alsberg war. Oppenheims Grabstein befindet sich auf dem neuen jüdischen Friedhof. Noch ein verwandtschaftlicher Bezug soll nicht unerwähnt bleiben. Gertrud Oppenheim war eine Cousine des Historikers und Religionsphilosophen Franz Rosenzweig. In einer Veröffentlichung des Kasseler Rosenzweig-Archivs wird Gertrud Oppenheim als intime Vertraute Rosenzweigs bezeichnet, deren Rat er bis zu seinem Tod einholte.

 

1936, als sie sicher ist, dass ihre Kinder außer Landes sind, verlässt Gertrud Oppenheim Kassel in Richtung Südafrika. Sie hat die Familie vor Deportation und Ermordung bewahrt. 1976 stirbt Gertrud in Johannesburg.

 

Bild rechts: Franz Rosenzweig (unten in der Mitte) im Kreis seiner Familie. Links neben ihm Gertrud Frank (verh. Oppenheim) (vor 1904)

Susanne, Eva, Franz, Agnes und Paul Oppenheim (1920)
Susanne, Eva, Franz, Agnes und Paul Oppenheim (1920)

Agnes Oppenheim, verheiratete Eisenstadt, 1906 in Kassel geboren, Bibliothekarin, 1933 Ehe mit Hans Eisenstadt. Im selben Jahr Flucht mit Ehemann nach Palästina, 2 Kinder David und Gideon, gestorben 1993 in Israel.

 

Paul Oppenheim, 1908 in Kassel geboren, 1927 Abitur am Wilhelmsgymnasium Kassel, Studium Maschinenbau TH München, 1931 Diplomingenieur, 1929 Mitglied der KPD, April 1933 Verhaftung, Juli 1933 Anklage und Verurteilung OLG Kassel wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 2 Jahren Gefängnis. Zwölf Angeklagte erhielten zwischen einem Jahr Gefängnis und 2 Jahren und 9 Monaten Zuchthaus. Es ging um Fortführung der Parteiaktivitäten nach dem Reichtagsbrand. Wie viele andere Genossen musste Paul die Strafe im Gefängnis Hameln verbüßen. Anschließend war er bis Dezember in den Moorlagern Rheede und Esterwegen in Schutzhaft. Es war den mutigen Bemühungen seiner Mutter zu verdanken, dass Paul aus den Fängen der Gestapo befreit werden konnte.

 

„Meine Entlassung fand im Dezember 1935 mit der Auflage statt, Deutschland binnen einer Woche zu verlassen. Meine Mutter hatte meine Auswanderung nach Johannesburg schon arrangiert und bezahlt, sodass ich Deutschland am 31.12.1935 von der elterlichen Wohnung verliess und am 22. Februar 1936 von Marseille mit dem Dampfer Guilio Caesare nach Kapstadt und von dort nach Johannesburg fuhr. Mein Reiseweg führte mich über London nach Marseille, weil ich anders die Frist zur Wahrung meiner Ausweisung aus Deutschland nicht haette einhalten koennen. ... Waehrend des Krieges war ich Soldat in der suedafrikanischen Armee ..."

 

Paul war zweimal verheiratet und hatte 4 Kinder. Paul ist 1996 in Birmingham gestorben.

 

1928
1928

Susanne Oppenheim, verheiratete Fricke, 1910 in Kassel geboren, 1928 nach London abgemeldet, 1931 wieder in Kassel zurück, Lehrerin, Mai 1935 Flucht nach Südafrika, schon in Kassel befreundet mit Wolfgang Fricke aus der Familie des von den Nazis verfolgten Reformpädagogen August Fricke (nach der Befreiung Stadtschulrat in Kassel). 1937 Heirat mit dem ebenfalls aus Deutschland geflohenen Wolfgang Fricke, Jurist, gemeinsame Kinder Catherine und Anthony.

Wolfgang und Susanne verlassen 1975 Südafrika, weil sie zu dem Apartheidregime in aktiver Opposition stehen. Ihr neues Exil heißt Kanada. Wolfgang ist 2004 und Susanne 2007 gestorben.

 

Franz Oppenheim, 1914 in Kassel geboren, ist bereits im Dezember 1932 nach Duewelskloof in Südafrika ausgewandert, nahe der Grenze zu Simbabwe und Mozambik. Möglicherweise deshalb, weil seine Tante Helene, Gertruds Schwester, seit 1912 in Südafrika lebte. In den Kasseler Meldeakten ist er damals Kaufmännischer Lehrling registriert. Beim Ausbruch des 2. Weltkrieges meldete er sich zur Südafrika-Armee, die auf der Seite der Alliierten kämpfte. Er war zeitweise in Ägypten stationiert. Letzten Endes landete er mit den Alliierten in Sizilien und half mit, den Faschismus zu besiegen. Er war mit Ruth Aronstein verheiratet. Sie hatten 5 Kinder. Alle zusammen emigrieren 1974 von Southafrica nach Canada. Franz ist 2005 gestorben.

 

Marianne Oppenheim, verheiratete Herz, 1920 in Kassel geboren, bis 1935 Schülerin am städtischen Oberlyzeum, der heutigen Jacob-Grimm-Schule. Als Obertertianerin musste sie die Schule verlassen, weil jüdischen Kindern der Besuch weiterführender Schulen verboten war. 8.10.1936 Flucht aus Kassel zusammen mit Mutter Gertrud und Bruder Walter über Italien nach Südafrika. In Südafrika heiratet sie Kurt Herz aus Essen und hat mit ihm die Kinder Eric und Beatrice. In den 1950-er Jahren geht die Familie nach England. Marianne ist 2013 gestorben.

 

Walter Oppenheim, 1924 in Kassel geboren, 1935 bis 1936 Schüler der Horst-Wessel-Schule (früher Mittelschule in der Unteren Karlsstraße, später Gerhart- Hauptmann-Schule). Gemeinsame Ausreise mit Mutter und Schwester im Oktober 1936 nach Südafrika. In Südafrika heiratet er Yvonne Conacher. Sie haben eine Tochter. Im Entschädigungsantrag von 1957 gibt er seinen damaligen Beruf als Schlosser an. 1962 Übersiedlung nach England. Walter ist 2014 gestorben.

 

 

Quellen:

 

Stadtarchiv Kassel, StadtA KS A 3.32 HB 402, 501, 583 Adressbücher Kassel

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Entschädigungsakten Oppenheim, 518; 19618, 67753, 67776, 67777

Beate Kleinert und Wolfgang Prinz: Namen und Schicksale der Juden Kassels, 1986

Helmut Thiele: Die Jüdischen Einwohner zu Kassel 2006

Bilder aus Privatbesitz David Oppenheim

Anthony Fricke, Calgary: Children of Gertrude (Trudchen) & Louis Oppenheim, 2017

Wolfdietrich Schmid-Kowarzik: Franz Rosenzweigs Heimkehr nach Kassel in Briefen, 29.6.2006

 

Jochen Boczkowski, Mai 2018

Verlegung am 24.5.2018

Steinpatin: Dr. Marianne Schneider

 

 

 

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