Familie Stiefel

Grüner Weg 5

 

 

 

Michael

*5.9.1850

 

Emilie

*29.4.1866

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Franziska

 

Jakob

*19.1.1893

 

Amalie

*26.4.1901

 

 

 

Rosa Rosi

*30.8.1899

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Werner M.

*15.2.1924

 

Eva

*3.4.1937

 

Gerhard

*24.4.1938

 

 

 

 

Werner Michael Stiefel kam am 15. Februar 1924 in Düsseldorf zur Welt. Sein Vater Jakob Stiefel war Kaufmann und stammte aus Ziegenhain (* 19.1.1893), seine Mutter Franziska Albertine war eine geborene Schwinning aus Düsseldorf und arbeitete als kaufmännische Angestellte. Die Familie lebte zunächst auch in Düsseldorf.

 

Die Ehe hielt jedoch nicht lange. Zwar erfolgte die Scheidung erst in 1929, Jakob zog aber bereits im Oktober 1926 nach Kassel zurück. Zunächst wohnte er wieder in der elterlichen Wohnung im Königstor 13. Michael Katz Stiefel und Emilie Stiefel, geborene Bacharach, stammten aus Neukirchen, heirateten dort in 1889 und wohnten ab 1910 in Kassel. Bis 1931 hatte Jakob dann fünf verschiedene eigene Wohnungen, zunächst in der Klosterstraße 11. Anfang 1931, nach dem Tod seines Vaters zog Jakob mit seiner Mutter Emilie und seiner Schwester Rosi zusammen in die Bismarckstraße 4. Hierhin holte er jetzt auch den siebenjährigen Sohn Werner Michael. Der Junge besuchte die höhere Schule, wurde dort aber gequält und misshandelt (..kam oft mit blutigen Verletzungen nach Hause..(berichtet die leibliche Mutter in 1959)) und wechselte deshalb auf die jüdische Schule. 

Jakob Stiefel
Jakob Stiefel

Als der Vater Jakob Amalie "Mally" Rothschild (geboren am 26.4.1901 in Zimmersrode) kennenlernte und heiratete, gründete er 1936 einen eigenen Haushalt, zunächst in der Hohentorstraße und dann im Grünen Weg 5 (1.April 1937), wo schon bald danach die zwei Geschwister Eva (3.4.1937) und Gerhard (24.4.1938) geboren wurden. Zu dieser Zeit wurde Werner Michael von seiner leiblichen Mutter Franziska, die wieder geheiratet hatte und nun Seipel hieß, nach Münster geholt, wo sie damals lebte. Sie versuchte vergeblich, für ihn eine Lehrstelle zu finden. Also schickte sie ihn nach Frankfurt in die Jüdische Lehranstalt, wo er eine Lehre als Feinmechaniker beginnen wollte. Von dort hat man ihn nach Wiesbaden zur Zwangsarbeit geholt. Im Dezember 1941 wurde er von der Gestapo aufgefordert, zu seinem Vater zurückzukehren, da die ganze Familie in den Osten „umgesiedelt“ werden sollte. Ob und wie weit diese Familie für ihn ein Zuhause war, ist schwer zu sagen, hatte er doch bisher nicht mit der Stiefmutter und den kleinen, jetzt zwei und drei Jahre alten Halbgeschwistern zusammengelebt.                           

Geburtsurkunde Werner Michael Stiefel
Geburtsurkunde Werner Michael Stiefel

 

Am 9.Dezember 1941 verließ die fünfköpfige Familie (Jakob, Amalie, Werner, Eva und Gerhard) die Wohnung im Grünen Weg 5 und wurde zusammen mit 1000 weiteren jüdischen Mitbewohnern nach Riga deportiert. Ein Überstellungsnachweis in das Getto Riga liegt nicht vor. Vermutlich wurden die beiden arbeitsfähigen Männer (Jakob 48 Jahre, Werner 17 Jahre) nach Salaspils, 18 km südöstlich von Riga überstellt, um

Sterbeurkunde Werner Michael Stiefel
Sterbeurkunde Werner Michael Stiefel

das dortige Polizeigefängnis in ein „Arbeitserziehungslager“ umzubauen.

In Yad Vashem („Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer“) ist vermerkt: Jakob Stiefel: Todesort:  Salaspils, Lettland, im Jahr 1942.

Ebendort ist auch aufgeführt: Amalie Stiefel mit den Kindern Eva und Gerhard: deportiert nach Auschwitz am 5.11.1943, ermordet.

Werner Michael wurde nach Aussage der Mutter am 9. Mai 1945 von der Sowjetarmee aus dem KZ Stutthof (37 km östlich von Danzig) befreit und sterbenskrank ins Jüdische Krankenhaus Berlin überführt. Dort verstarb er am 28. September 1945 an Tuberkulose. Die Sterbeurkunde ist im Hessischen Staatsarchiv, Wiesbaden einzusehen

 

Emilie Stiefel, Werner Michaels Großmutter, wurde bei der ersten Deportation aus Kassel nicht erfasst. Sie wurde in ein Judenhaus in der Schillerstraße einquartiert.  Ein Jahr später am 7.9.1942 wurde sie nach Theresienstadt und am 26. 9. 1942 weiter nach Treblinka deportiert und ermordet.

 

Rosa Rosi Stiefel, verheiratete Strauß, Werners Michaels Tante, wurde am 3.Juni 1942 nach Izbica deportiert und in Sobibor ermordet.

Ausschnitte aus den Deportationsliste 9.12.1941 Riga
Ausschnitte aus den Deportationsliste 9.12.1941 Riga
Ausschnitt aus Deportationsliste Theresienstadt 7.9.1942 vorletzte Zeile: Emilie Stiefel (Katz Stiefel)*
Ausschnitt aus Deportationsliste Theresienstadt 7.9.1942 vorletzte Zeile: Emilie Stiefel (Katz Stiefel)*
Deportationsliste nach Izbica / Sobibor  letzte Zeile Rosa
Deportationsliste nach Izbica / Sobibor letzte Zeile Rosa

* Der Name Katz-Stiefel bei Emilie und Rosa erklärt sich aus einer Namenskorrektur bei Michael Stiefel, dessen zweiter Vorname Katz zwischenzeitlich als Nachname gewertet wurde (Amtsgericht Marburg, Stadtverwaltung Neukirchen)

Wir bedanken uns bei Pfarrer Johannes Werges aus Hünxe (200 km entfernt von Kassel), der das Geld für einen der Stolpersteine der Familie Stiefel gespendet hat.

 

SALASPILS

 

Ende 1941 wurde 18km östlich von Riga das „Erweiterte Polizeigefängnis“ und Arbeitserziehungslager  Salaspils errichtet. Dort arbeiteten Mitte Januar 1942 mindestens 1000 Juden aus dem Getto Riga. Im März 1942 wurde das Lager aufgelöst. 450 Insassen wurden zurückbehalten, um die Spuren des Lagers zu beseitigen und als Bauernhof zu tarnen.Wer überlebte, kam wieder ins Getto Riga. Das wurde im November 1943 aufgelöst. Alle Kinder und Kranken wurden nach Auschwitz gebracht ( so auch die Mutter Amalie mit den Kindern Eva und Gerhard ).

 

Arbeitsfähige Männer – darunter wohl auch der 19jährige Werner Michael – wurden wegen des Vorrückens der Sowjetarmee ins ostpreußische Lager Stutthof gebracht.

 Ab Januar 1945 begannen die „Todesmärsche nach Westen“. Die meisten Menschen starben oder wurden von den SS-Begleitwachen getötet („Massaker von Palmnicken“)

 

weitere Informationen und Dokumente zu STIEFEL  hier

 

 KZ Stutthof

 

Im September 1939 wurde 37 km östlich von Danzig mit der Errichtung des Zivilgefangenenlagers Stutthof begonnen. Ab 1. Oktober 1941 wurde es als Sonderlager unter die Leitung der GESTAPO Danzig gestellt, ab 29. Januar 1942 als KZ Stufe 1 geführt und galt damit als erstes KZ außerhalb deutscher Grenzen. Im Jahr 1944 lebten dort 57.000 Häftlinge in 21 Baracken. Sie wurden als Arbeiter für die Kriegswirtschaft ausgebeutet. Dort befanden sich z.B. Montagehallen für Flugzeugteile der Firma Focke-Wulff.  Auch in der Landwirtschaft wurden die Häftlinge eingesetzt.

 

Im Frühjahr 1944 wurde eine Gaskammer gebaut, zunächst zur Entlausung, später zur Vergasung, etwa 1150 Opfer. Viele der Leichen wurden im Freien verbrannt. Ende 1944 nahmen die Häftlingszahlen sprunghaft zu durch Transporte von 2000-3000 ungarischen Jüdinnen.

 

Am 25. März 1945 ordnete der Lagerkommandant Paul Werner Hoppe die Evakuierung an.  1000 -1500 Häftlinge wurden bei Eiseskälte fast ohne Verpflegung in Todesmärschen in den Westen getrieben. Am 31. Januar 1945 wurden 3000 Häftlinge am Strand von Palmnicken in die Ostsee getrieben und erschossen. Am 9. Mai 1945 wurde das Lager von der Sowjetarmee befreit.

 

Unter den Befreiten war auch der schwerkranke Werner Michael Stiefel, der nach Überführung in das Jüdische Krankenhaus Berlin am 28. September 1945 dort verstarb. Die Verlegung findet also am 72. Todestag statt.

 

 

Quellen:

 

Stadtarchiv Kassel :                           Adressbücher und Hausstandsbücher Stadtarchiv Kassel

 

Hessisches Staatsarchiv Wiesbaden :Akten HStAW 518, Nr. 37302, 57446 und 2655/21, darin

Brief der Mutter Franziska Seipel vom 7.12.1959 und  Sterbeurkunde Werner Michael Stiefel vom 30.1.1953

telefonische Auskunft Amtsgericht Marburg und Standesamt Neukirchen

 

Yad Vashem:                                      Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer

 

Wikipedia :                                        Salaspils und Stutthof                                                                                          Deportationslisten                     Statistik des Holocaust  statistik-des-holocaust.de/list_ger.html

 

Margrit Stiefel und Jürgen Strube   April 2017

 

 

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