Stolpersteine für

 

Ilse Betty Olga Kaufmann

 

Emmy Kaufmann

 

Harry Kaufmann

 

Liselotte Ruth Kaufmann, verh. Hutzler

 

in Kassel, Untere Königsstraße 81 (Am Stern)

 

(ehemals Moltkestraße 1)

 

Verlegung 28.9. 2017

 

Ilse Betty Olga Kaufmann wurde am 20. Januar 1929 in Kassel geboren. Sie war die jüngere von zwei Töchtern der jüdischen Familie Harry und Emmy Kaufmann. Sie wurde knapp 13 Jahre alt. Nur ihre 7 Jahre ältere Schwester Lieselotte Ruth konnte 1938 rechtzeitig ins Ausland entkommen.

 

Die Mutter Emmy Kaufmann, geborene Stein wurde am 22. Dezember 1896 in Reichensachsen, Kreis Eschwege, geboren. Über ihren Lebensweg sind nur wenige Daten bekannt. Jedenfalls wohnte sie zusammen mit ihrem Mann Harry seit dem 21. März 1921 in der Moltkestraße 1. Dort wurden 10 Monate später ihre älteste und 7 Jahre später ihre jüngere Tochter geboren. Das Haus wurde im Krieg zerstört und der Straßenverlauf später beim Wiederaufbau völlig verändert.                                    Foto Emmy Kaufmann

 


Die Mutter war fast 17 Jahre jünger als der Vater.  Nach seinem Tod in 1938 lebte sie mit Ilse Betty 3 ½ Jahre allein dort weiter, bis sie im September 1941 in ein sogenanntes Judenhaus in der Entengasse 22 umziehen musste.

Laut Polizeiverordnung vom 1. September 1941 waren sie gezwungen, „den Judenstern zu tragen“ - wie alle Juden. Am 9. Dezember 1941 wurden sie zusammen mit tausend weiteren Juden nach Riga deportiert. Emmy Kaufmann wurde mit ihrer jüngsten Tochter Ilse Betty auf der Transportliste der Gestapo vom 9. Dezember 1941 geführt. Dann verlieren sich ihre Spuren. Im späteren Entschädigungsverfahren der älteren Tochter wurden beide zum 31.12.1945 vom Regierungspräsidium Kassel formal für tot erklärt.

Ein überlebender Kasseler Jude beschrieb 1946 diesen Transport nach Riga so (Auszug):

 

„Am 9. Dezember. 1941 fuhren wir ab. Es waren ungeheizte 3ter Klasse Coupés. Wir fuhren über Berlin, Breslau, Posen, Königsberg, Tilsit und kamen am 12. Dez. in Riga an. Es waren 40 Grad Kälte. Das meiste Gepäck ließen wir am Bahnhof auf Nimmer-wiedersehn. Bei einem furchtbaren Schneesturm mußten wir ins Ghetto marschieren. 10 Kilometer… Die ersten 3 Wochen bekamen wir überhaupt keine Verpflegung…“                                                             (Dieser Brief wird in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem aufbewahrt.)

Der Vater, Harry Kaufmann, geboren am 18. Januar 1879 in bayrischen Bleicherode, Thüringen, wohnte zunächst in der Unteren Königsstraße 86. Er war Großhändler für Fensterleder und Schwämme. Sein Importgeschäft führte er ab 1912 bereits (mit Telefonanschluss) in der Bremer Straße 32. I    


In diesem Haus mit mehreren Mietparteien befanden sich auch andere Firmen: eine Buchdruckerei, eine Zigarrenfabrik und die Fabrik des Hausbesitzers für chirurgische Instrumente. Zeitweise war Karl Kaufmann (ein Verwandter?), ebenfalls Kaufmann von Beruf, Mitinhaber des Importgeschäfts (bis 1933).


1937 betrieb Harry Kaufmann seinen Importhandel noch kurze Zeit in seiner Wohnung, Moltkestraße 1, bis er als Jude gezwungen war, sein Geschäft in „arische Hände zu übergeben“. Nach dem Krieg berichtete seine überlebende Tochter Lieselotte Ruth im Entschädigungsverfahren, dass ihr Vater die „Judenvermögensabgabe“ zu entrichten hatte und der „Haushalt wurde beschlagnahmt und veräußert. Zuvor noch als kerngesund von ihr beschrieben, wurde er bald schwer herzkrank. und starb am 8. März 1938 mit 59 Jahren an einem Herzanfall

 

Lieselotte Ruth Kaufmann, geboren am 31. Januar 1922 in ‚Cassel‘, lebte mit ihrer Familie in der Moltkestraße 1. Nach der Schule war sie ‚Vorarbeiterin‘.  Sieben Monate nach dem Todihres Vaters

Deportationsliste 9.12.1941 Kassel
Deportationsliste 9.12.1941 Kassel

wurde sie am 15. Oktober 1938 nach Düsseldorf und England abgemeldet. Da war sie 16 ¾ 


Jahre alt und entkam wohl mit einem der ‚Kindertransporte’. Im Herbst 1938 hatte die englische Regierung beschlossen, verfolgte jüdische Kinder bis 17 Jahre mit Hilfe jüdischer Organisationen nach Großbritannien einreisen zu lassen.

Später nach ihrer Heirat hieß sie Lilo Ruth Hutzler.  Sie wurde dann amerikanische Staatsangehörige und war als Sekretärin für Statistik und Hausfrau tätig. Über ihre Einreise nach USA, ihre Familie und ihr Leben dort im Staat New York ist nicht mehr bekannt als ihre beiden Wohnadressen 1958 in Mont Vernon und 1959 Riverdale 71, beides im Staat New York. Von dort aus reichte sie im August 1957 nach dem Bundesentschädigungsgesetz vom 9. Juni 1956 beim Regierungspräsidium  Kassel  einen  Antrag  auf  Entschädigung  ein. Zuvor  musste gerichtlich festgestellt werden, dass ihre Mutter Emmy und ihre Schwester Ilse Betty Olga Kaufmann „verschollen“ sind, ehe beide durch Beschluss des Amtsgerichtes Kassel vom 9. Februar 1956 für tot erklärt werden konnten. (das Dokument befindet sich auf dieser Seite unten). Ihr Entschädigungsantrag konnte dann vom Regierungspräsidenten am 22. September 1958 bewilligt werden. So wurde aus den Entschädigungsakten das Schicksal ihrer Familie bekannt, dem sie als einzige entkommen ist.

Die Suche nach ihr und ihren Angehörigen in USA blieb bisher ohne Ergebnis. Ziel ist, ihre Familie über die Verlegung dieser Stolpersteine zu informieren

Gudrun Schmidt und Jürgen Strube  im September 2017    

 

 

 

Quellen:

 

Hess. Staatsarchiv Wiesbaden: Wiedergutmachungsakten  K 14110-22A - Hu

 

Stadtarchiv Kassel: Adress- und  Hausstandsbücher A 3.32 HB 467

 

Magistrat der Stadt Kassel (HG): Namen und Schicksale der Juden Kassels – 1933 bis 1945, Ein Gedenkbuch (bearbeitet von B. Kleinert und W. Prinz), Kassel 1986

 

Todeserklärung
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