Hans Zimmermann

Pfarrstraße 34

„Die Nacht ist vorgerücket, die Nachtzeit dieser Welt ... „

 

mit dieser Zeile beginnt das Kirchenlied des evangelischen Pfarrers Hans August Zimmermann, das er im Jahr 1941 während der strengen Haft durch die Geheime Staatspolizei (Gestapo) Kassel geschrieben hat. Genauso wie Pfarrer Adalbert Römheld gehörte er der Bekennenden Kirche an. Während seiner Tätigkeit als Pfarrer in Bettenhausen fanden in seinen Amtsräumen in der Pfarrstraße 34 „wiederholt geheime Zusammenkünfte statt“. Am 17.05. 1941 wurde er zusammen mit Pfarrer Otto Reinhold aus Crumbach von der Gestapo festgenommen und im Kasseler Polizeipräsidium inhaftiert. Es folgten mehrere Monate Aufenthalt als Schutzhäftling im Arbeitserziehungslager Breitenau bei Guxhagen.

 

Hans August Zimmermann wurde am 15. Nov. 1896 in Schlüchtern geboren. In 1914 kurz vor dem Ersten Weltkrieg schrieb er sich mit Beginn des Sommersemesters 1914 als Jurastudent in der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ein. Im Oktober 1914 zog H. Zimmermann als Kriegsfreiwilliger in den Ersten Weltkrieg, in den Kämpfen schwer verwundet wurde er bei Kriegsende, 1918, als Leutnant d. Reserve aus dem Militärdienst entlassen. Von 1919 bis 1922 studierte er Theologie in Heidelberg, Tübingen und Marburg. Im Dez. 1922 machte er in Marburg sein Fakultätsexamen und nach Besuch des Prediger Seminars in Hofgeismar wurde er am 3. August 1924 von General-Superintendent D. Fuchs in der Adventskirche zu Kassel ordiniert. Es folgte mehrere Einsätze als Hilfspfarrer und Pfarrer in Hessen, bis Hans Zimmermann am 1. November 1936 die Pfarrstelle in Kassel-Bettenhausen antrat. Schon in den ersten Jahren nach Hitlers Machtergreifung, 1933, gehörte er im Kirchenkreis Schlüchtern zu den Geistlichen der Bekennenden Kirche, die sich gegen die Behinderung der freien Ausübung ihres Glaubens und der Unterdrückung der Kirche zur Wehr setzten. Zu den Mitgliedern der Bekennenden Kirche gehörten auch Pfarrer Adalbert Römheld, Bettenhausen und Pfarrer Otto Reinhold aus Crumbach.

 

Von den „wiederholt geheime(n) Zusammenkünfte“ der Pfarrer der Bekennenden Kirche in Zimmermanns Pfarrhaus in der Pfarrstraße 34 muss auch die Geheime Staatspolizei in Kassel erfahren haben. Bei einer der häufigen Hausdurchsuchungen in der Pfarrstelle, hat die Gestapo „belastendes Material“ u.a. eine Niederschrift des Gedichtes von Pfarrer Reinhold „Prolog des Satans zu dem Spiel, das er auf Erden jetzt beginnt.“ aus 1933/34 gefunden haben.

Dies war der Anlass, so berichtete es Reinhold in einer Chronik von 1949, dass die Gestapo Zimmermann und ihn selbst am 17.05.1941 verhafteten und in das Kasseler Polizeigefängnis im Königstor brachten. Hier wurden sie mehrfach verhört und bedroht, bevor sie am 11.07.1941 als sogenannte Schutzhäftlinge in das Arbeitserziehungslager Breitenau bei Guxhagen verlegt wurden, wo sie bleiben sollten, bis das Reichssicherheitshauptamt in Berlin über ihr weiteres Schicksal entschieden hatte. Während seiner Haft schrieb er das Lied: “Die Nacht ist vorgerücket, die Nachtzeit dieser Welt“, was im Anhang des Liederbuchs der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (Ausgabe 1957) als Lied Nr. 419 abgedruckt wurde.

 

Das Landesarbeitsanstalt Breitenau war in einem ehemaligen Benediktinerkloster aus dem 12. Jahrhundert untergebracht.(Heute Gedenkstätte Breitenau). In dem direkt an der Fulda gelegenen umfangreichen romanischen Gebäudekomplex war in den Jahren 1933/34 ein frühes KZ für politische Gefangene und ab 1940 ein Arbeitserziehungslager der Geheimen Staatspolizei Kassel. In ihm wurden überwiegend ausländische Zwangsarbeiter/innen einer leidvollen Art von „Arbeitserziehung“ unterworfen. Endsprechend ihrer abschließenden Beurteilung endete ihr Aufenthalt mit der Rückführung an den ehemaligen Arbeitsplatz oder mit der Einweisung in ein Konzentrationslager. Die beiden Gestapohäftlinge Zimmermann und Reinhold wurden vom Wachpersonal zur Gartenarbeit eingeteilt.

 

Nach insgesamt vier Monaten Haft ohne richterliches Urteil konnte Pfarrer Hans Zimmermann am 18.09.1941 zu seiner Ehefrau Helene und den sechs Kindern in Bettenhausen heimkehren. Pfarrer Otto Reinhold war bereits am 04.08.1941 aus der Haft entlassen worden. Am 5. Dezember 1943 hielt Pfarrer Zimmermann in Bettenhausen seine Abschiedspredigt. Er hat von 1936 bis 1943 hier in der Pfarrstraße mit seine Familie gewohnt. Danach trat er seinen Dienst in Heringen, Kirchenkreis Rotenburg/F. an. Seine letzte Pfarrstelle bekleidete er von 1955 bis 1963 in Kirchhain, Kirchenkreis Kirchhain, wo er dann auf eigenen Antrag nach fast 40 Dienstjahre in den Ruhestand versetzt wurde. In einem Heim für ehemalige Pfarrer in Wehrda bei Marburg starb Hans August Zimmermann am 16.11.1966 und wurde anschließend in Schlüchtern beerdigt. Nach Auskunft von Wegbegleitern beschäftigten H. Zimmermann in der Nachkriegszeit erhebliche Zweifel, ob die Hauptziele der Mitglieder der Bekennenden Kirche, die Freiheit des christlichen Glaubens und die Unabhängigkeit der Evangelischen Kirche, im Widerstand gegen die Nazi-Diktatur ausreichend gewesen waren.

 

Martin Niemöller (* 14. Januar 1892 in Lippstadt; † 6. März 1984 in Wiesbaden) einer der bekanntesten Geistlichen der Bekennenden Kirche, der in der Zeit von 1938 bis 1945 in verschiedenen Konzentrationslagern inhaftiert war, hat 1976 rückblickend auf seinen Widerstand gegen das Nazi-Regime folgende persönliche Feststellung getroffen:

„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter.

Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“

 

 

Quellen:

 

• Evangelische und katholische Geistliche im Lager Breitenau (1941-1944). Ein Bericht von Dietfrid Krause-Vilmar

• Sagan, Günter: Pfarrer Konrad Trageser. Sein Leben und Leiden, Petersberg 2010.

• Hessische Forschungen zur geschichtlichen Landes- und Volkskunde, Heft 23, Hrsg.: Verein für hessische Geschichte und Landeskunde e. V. Kassel 1834 Schriftleitung: Helmut Burmeister, Arensberg 8, 3520 Hofgeismar

• Nationalsozialismus in Nordhessen- Schriften zur regionalen Zeitgeschichte, Heft 14 Hrsg.: Gesamthochschule Kassel, Fachbereich 1 Redaktion: Dietfrid Krause-Vilmar

• Die Evangelische Kirchengemeinde Kassel-Bettenhausen, Pfarrer i.R. Adalbert Römheld, Verlag Ev. Presseverband Kurhessen-Waldeck, 1972

• Eine ökumenische Begegnung im Arbeitserziehungslager Breitenau, Die Geistlichen Hans Zimmermann und Konrad Trageser im Widerstand zum NS-Regime, von Günter Sagan, Fulda

 

 

 

Text: Bernd Schaeffer, Februar 2020

(ursprünglich veröffentlicht auf "Erinnerungen im Netz")

 

 

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