Franziska Katzenstein, geb. Plaut

Goethestraße 13 (früher Kaiserstraße 13

Passfoto von Franziska Katzenstein auf ihrer Kennkarte für Juden
Passfoto von Franziska Katzenstein auf ihrer Kennkarte für Juden

Franziska Katzenstein stammte aus Eschwege, wo sie 1867 als eines von vier Kindern von Moritz und Emma Plaut geboren wurde. Sie heiratete den 1862 in Eschwege geborenen Otto Katzenstein, der zusammen mit Leopold Plaut 1883 das private Bankhaus Plaut & Co. gründete. Ihre beiden Söhne Ludwig und Kurt kamen 1891 bzw. 1895 zur Welt. Die Familie wohnte seit 1905 in der Kaiserstraße 29, in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in der Sophienstraße, wo Otto Katzenstein 1926 starb, nachdem auch die drei Geschwister seiner Frau bereits gestorben waren.
Franziska Katzenstein  zog im Januar 1936 in die Kaiserstraße 13 bei der gleichfalls verwitweten Henriette Plaut ein, mit der sie eng verbunden war. Ihr verstorbener Mann und Henriette Plaut waren miteinander verwandt und die beiden Ehemänner hatten als Bankiers 1883 gemeinsam ein Bankhaus in Kassel gegründet. Als sie 1936 in das Haus einzog, war sie allein. Ihr Sohn Kurt war bereits emigriert, der Sohn Ludwig nicht mehr in Kassel.

Franziska Katzenstein Sohn Kurt (links - Stadtmuseum Kassel)
Franziska Katzenstein Sohn Kurt (links - Stadtmuseum Kassel)

Das Hausstandsbuch verzeichnet, dass sie am 1. November 1937 nach Johannesburg reiste, aber am 5. Mai 1938 nach Kassel zurückkehrte. In Johannesburg besuchte Franziska Katzenstein ihren Sohn Kurt. Vielleicht ging es um Auswanderungsmöglichkeiten für die Mutter. Vielleicht tauschten die beiden in Südafrika noch einmal ihre Erinnerungen daran aus, wie der Sohn in den 20er Jahren auf seinen Rückflügen zum Flughafen Waldau über dem Haus der Mutter in der Sophienstraße Ehrenrunden gedreht hatte.
Kurt Katzenstein war als Abiturient freiwillig in den Krieg gezogen, diente zunächst bei der Artillerie und kam nach einer Verwundung im April 1915 zur Fliegerei, die ihn sein Leben lang nicht mehr loslassen sollte. Er studierte nach Kriegsende an der Technischen Hochschule Darmstadt und fand als Diplom-Ingenieur eine Anstellung als Werkspilot bei der Dietrich-Gobiet Flugzeugwerke AG in Kassel-Bettenhausen, wo er von Antonius Raab den Kunstflug erlernte. Kurt Katzenstein machte 1924 mit einem unglaublich scheinenden Pilotenkunststück Schlagzeilen in aller Welt, als er auf einem Flug entlang der Fulda in Begleitung eines Offiziers der Reichswehr spontan mit seinem Doppeldecker unter der Fuldabrücke am Altmarkt hindurch flog. Raab, Katzenstein und Gobiet gründeten 1925 die zunächst erfolgreiche Raab-Katzenstein-Flugzeugwerke GmbH, die in der Weltwirtschaftskrise allerdings wie die junge deutsche Luftfahrtindustrie insgesamt in finanzielle Bedrängnis geriet und zahlungsunfähig wurde. Kurt Katzenstein musste sich im Juni 1933 von seiner Mutter, mit der er in Kassel lebte, verabschieden, als er nach Den Haag in den Niederlanden ging, um von dort nach Südafrika auszuwandern. Hier gründete er mit dem gleichfalls emigrierten Willy Rosenstein, einem Flieger und Fluglehrer der ersten Stunde in Deutschland, eine erfolgreiche Flugschule.

Todesfallanzeige für Franziska Katzenstein aus Theresienstadt
Todesfallanzeige für Franziska Katzenstein aus Theresienstadt

Warum Franziska Katzenstein nach ihrem mehrmonatigen Aufenthalt in Johannesburg wieder in das nationalsozialistische Deutschland einreiste, ist nicht mehr aufzuklären. Die Bankierswitwe besaß in der Gräfestraße 4 und 11 zwei Hausgrundstücke, die sie im März 1939 verkaufte, und lebte dann nach eigenen Angaben vom Dezember 1939 gegenüber der Devisenstelle von Erträgen aus diesem Verkauf. Zu diesem Zeitpunkt war ihr zweiter Sohn Ludwig bereits in England, nachdem er 1938 zum letzten Mal zu Besuch bei seiner Mutter war.
Franziska Katzenstein und Henriette Plaut hatten den gleichen Leidensweg vor sich. Beide wurden Ende Januar 1941 in das Israelitische Altersheim in der Mombachstraße 17 eingewiesen und von dort am 7. September 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo Franziska Katzenstein am 22. Februar 1943 den Haftbedingungen erlag.
Ihren Sohn Kurt Kaye, wie er in Südafrika hieß, internierte man zu Kriegsbeginn acht Monate lang als feindlichen Ausländer. Später nutzte die Royal Airforce South Africa sein fliegerisches Können als Test- und Überführungspilot. Seine Heimatstadt besuchte er mehrfach, bevor er 1984 im Alter von 89 Jahren in Johannesburg starb.

Wolfgang Matthäus   Juni  2015

Quellen
StadtA Kassel  A 8.80 Nr. 280, Nr. 393, Nr. 411; S1 Personalia 1528 Kurt Katzenstein; S 5 H Nr. 209 | HHStAW Abt. 518 (Entschädigungsakte Katzenstein) | Stadtmuseum Kassel, Sammlung zu Kurt Katzenstein |
http://www.holocaust.cz/de/main (Todesfallanzeige)
Literatur
Wolfgang Matthäus, Kaiserstraße 13. Geschichten vom jüdischen Leben und seiner Zerstörung im Vorderen Westen, in Kassel und der Region, Kassel 2014
Antonius Raab,  Raab fliegt. Erinnerungen eines Flugpioniers, Hamburg 1984

 

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