Kurt Finkenstein

Karthäuser Straße 5 A

Kurt Finkenstein schick gekleidet mit Fliege und Hut schaut
Kurt Finkenstein

Kurt Finkenstein ist im Elsass, einem Schnittpunkt zwischen deutscher und französischer Kultur, groß geworden. Seine Mutter entstammte einer jüdischen Familie aus Polen, sein Vater war deutscher Offizier. Den Beruf des Zahntechnikers hat er von Grund auf gelernt und, solange er in Freiheit war, mit Erfolg ausgeübt – zugleich interessierte er sich lebhaft für Literatur und Politik. Im Weltkrieg wurde er Pazifist. Schon früh hat er Gedichte verfasst; einige sind in Franz Pfemferts ‘Aktion’ abgedruckt. Als knapp Dreißigjähriger hatte er sich einen universellen Bildungshorizont erschlossen und stand mit Schriftstellern (René Schickele, Herbert Lewandowski, Max Hermann-Neiße und Franz Pfemfert), Schauspielern (Friedrich Domin) Musikern (Ernst Krenek) und politischen Intellektuellen (Dr. Theo Neubauer, Dr. Ernst Meyer) in Kontakt, mit einigen verband ihn Freundschaft. In seiner Wohnung in Kassel, wohin er 1919 gezogen war, veranstaltete er literarisch-künstlerische Abende und Gespräche. Er hatte eine mehrere tausend Bücher umfassende Privatbibliothek und eine umfangreiche Schallplattensammlung. Bilder von Karl Schmidt-Rottluff, Ernst Barlach und Oskar Kokoschka hingen in seiner Wohnung. Seine faszinierende persönlichen Ausstrahlung, gewinnende sympathische Erscheinung und sprichwörtliche Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft wird in vielen Zeugnissen hervorgehoben. Er war ein politischer Mensch. In der November-Revolution trat er in die USPD ein, später war er zeitweise Mitglied der KPD. Er war ein Teil des in den zwanziger Jahren vielfältigen kulturellen Lebens der Stadt Kassel, in der das Staatstheater und die Kunstakademie Kristallisationspunkte darstellten.

Der Stolperstein für Kurt Finkenstein in der Kathäuser Straße
Der Stolperstein für Kurt Finkenstein in der Kathäuser Straße

Als freiheitsliebender Intellektueller, Pazifist, Sohn einer jüdischen Mutter und überzeugter Sympathisant des Kommunismus verkörperte er das Feindbild des aufziehenden Nationalsozialismus. Bereits während der ersten Welle nationalsozialistischen Terrors nach der Machtergreifung wurde er in das Konzentrationslager Breitenau (in der Nähe Kassels) gebracht, wo er bis August 1933 gefangen gehalten wurde. Knapp zwei Jahre später, am 23. Juli 1935, wurde er erneut verhaftet. Von diesem Tage an hat er die Freiheit nicht mehr gesehen. Gerichtsgefängnis, Zuchthaus, Straflager Aschendorfer Moor und Gestapo-Straflager Breitenau waren die weiteren Orte der Verfolgung. Am Ende stand das KZ Auschwitz-Birkenau, wo er ums Leben kam.

In der ersten nach dem Krieg in Kassel herausgegebenen literarischen Zeitschrift, dem ‘Karussell’, erschien eine knappe biographische Notiz zu ihm und ‘Die Ballade von den Widersprüchen meines Lebens’, sein autobiographisches Vermächtnis. Die ‘Hessischen Nachrichten’ gedachten in den 50er Jahren seiner Lebens- und Leidensgeschichte in Nachrufen. Herbert Lewandowski veröffentlichte 1952 eine eindrucksvolle Lebensskizze.

In den von ihm im Zuchthaus an seine geliebte Frau Käte Westhoff geschriebenen Briefen kommt eine souveräne geistige und moralische Haltung zur Sprache, die dem Denk- und Handlungshorizont des Nazis diametral entgegengesetzt war. Recht und Rechtsstaat, Anstand und Zuverlässigkeit, vor allem aber Frieden und Menschenliebe waren für Finkenstein feste Bezugspunkte seines Denkens und Handelns. Es war vermutlich gerade jene selbstbewusste klare Haltung, die der autoritäre Führerstaat fürchtete und deshalb auszulöschen und zu vernichten trachtete. Dass die Nazis sämtliche Werte und Ordnungen missachten und zerstören würden, hat er nicht im Entferntesten für möglich gehalten. Dass deutsche Richter offensichtlich Unrecht sprechen könnten, war für ihn unvorstellbar. In seinen Briefen lebte eine Hoffnung; sie wehrte und bewahrte sich unter den täglichen Bedingungen der Haft und der Schikanen. Dem System des Unrechts setzte Finkenstein Redlichkeit und Wahrhaftigkeit, Recht und Moral entgegen. Es war ein Martyrium, das er durchstanden hat. Er und tausend andere zur selben Zeit. Und in diesem Martyrium legte er zugleich Zeugnis ab von einer anderen, besseren Welt.

  

Kurt Finkenstein, Briefe aus der Haft 1935-1943. Herausgegeben, kommentiert und eingeleitet von Dietfrid Krause-Vilmar. Mitarbeit. Susanne Schneider. Kassel 2001. (im Buchhandel oder beim Kasseler Jenior Verlag erhältlich. ISBN: 3-934377-78-5)

 

 

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