Johanna und Louis Magnus

Die Freiheit 2 (Seite zur Mittelgasse)

Louis und Johanna Magnus haben 1932 geheiratet und bis zur Emigration 1937 im Hause Mittelgasse 44 gewohnt. Vorher sind die beiden getrennte Wege gegangen, denn der 24 Jahre ältere Louis war in erster Ehe mit Henriette Esther Düwel verheiratet. Henriette ist 1925 in Kassel gestorben.

 

Louis ist am 7. Oktober 1878 in Rotterdam geboren. Seine Eltern waren Gustav Magnus und eine Niederländerin namens Cato Lorjé. Sie stammte aus einer Fotografenfamilie. Deshalb war Gustav auch einige Jahre in den Niederlanden als Fotograf tätig. Louis hatte 4 Geschwister, nämlich Berta (*1876, verheiratete Klinnert), Gottlieb (*1883), Sophie (*1888, verheiratete Levi) und Sally (*1881). Die Familie ist 1897 nach Kassel gekommen, wo Cato Magnus 1928 mit 76 Jahren verstarb. Vater Gustav und Sohn Louis betrieben in Kassel einen Schuhhandel. Eine ganz andere Branche als in den Niederlanden. Im Handelsregisterverzeichnis des Kasseler Adressbuches 1920 findet sich die Firma Geschwister Magnus, als Inhaber wird Kfm. Louis Magnus geführt. Prokura haben Henny Magnus, geb. Düwel und Gustav Magnus. Das Geschäft befand sich bis 1930 in der Entengasse und später in der Mittelgasse. Außerdem gab es noch einen Laden in der Orleanstraße, heute Hoffmann-von-Fallersleben-Straße.

Über 20 Jahre hat Louis mit seiner ersten Frau in der Achenbachstraße gewohnt. Nach der Verheiratung mit Johanna hat er diese Wohnung aufgegeben und ist in die Mittelgasse gezogen. Johanna Narewczewitz ist 1902 in Witzenhausen geboren ist. Ihre Eltern waren Elias Isaac und Veilchen Narewczewitz. Um 1929 ist Johanna nach Kassel gekommen und muss in der Filiale Orleanstraße 13 der Schuhfirma Magnus tätig gewesen sein. Sie hat auch in diesem Haus, das den Magnus gehörte, gewohnt. Dadurch dürfte dann eine Beziehung zu dem Witwer entstanden sein.

 

1937 sind die Eheleute nach Amsterdam emigriert. Über ihre Zeit und Aufenthalt bis zum Einmarsch der Wehrmacht bzw. der Internierung im Januar 1943 im Polizeilichen Judendurchgangslager Westerbork gibt es keine Informationen. Johanna und Louis sind am 16. November 1943 nach Auschwitz deportiert worden. Der Transport bestand aus 995 Menschen. Ihr Todestag war der 19. November. Von den 140 000 Juden, die zum Zeitpunkt des deutschen Einmarsches in den Niederlanden lebten, wurden etwa 107 000 über das Lager Westerbork in den Osten verschleppt. Weniger als 5 000 überlebten. Auch 245 Angehörige der nationalen Minderheit der Sinti und Roma wurden von hier deportiert. Nur 30 überlebten.

 

Zurück zur Familie: Vater Gustav und die Geschwister sind schon früher aus Kassel weggezogen. Gustav Magnus ist von Hamburg nach Theresienstadt deportiert und ermordet worden. Es liegt ein Stolperstein in Hamburg. Bruder Gottlieb sowie dessen Ehefrau und Tochter sind deportiert und ermordet worden.

Schwester Sophie Levi, geb. Magnus ist von Hamburg nach Holland geflohen und über Westerbork deportiert und ermordet worden.

Bruder Sally Magnus ist nach Flucht in die Niederlande über Westerbork zusammen mit Ehefrau und Tochter deportiert und ermordet worden.

Edith Magnus, geb. am 28.10.1913 in Kassel, Tochter von Louis Magnus aus 1. Ehe, ist 1933 nach Utrecht in Holland emigriert. Sie hat überlebt. Pandemiebedingt konnte ihr Lebensweg noch nicht recherchiert werden. Es gibt Entschädigungsakten im Staatsarchiv. Eintrag im Register: Internierung 1942 – 1946 im japanischen Konzentrationslager Bandung auf Java. (HStAM, 270 Kassel, 6604 + 6512)

Thea Speier, geb. Narewczewitz, JG 1899, Schwester von Johanna Magnus hat 1940 verfolgungsbedingt in Frankfurt/Main den Freitod gesucht (Bundesarchiv).

Von Louis Geschwistern ist einzig Berta Magnus, verheiratete Klinnert der rassistischen Ermordung entgangen. Sie war in einer „privilegierten Mischehe“ verheiratet und ist 1940 in Kassel gestorben. Es gibt Nachkommen in der Enkelgeneration.

 

Am Beispiel von Louis und Johanna Magnus wird deutlich: Die rassistische und antisemische Verfolgung hat ganze Familien ausgelöscht. Wir finden weder Bilder noch Briefe oder Notizen von ihnen. Stolpersteine vor ihren letzten Wohnorten sind ein Erinnerungszeichen. Sie sind durch Heinz-Jörgen Kunze-von-Hardenberg aus Hannover angestoßen worden.

 

 

 

 

Niederländische Juden steigen in den Zug, mit dem sie nach Auschwitz deportiert werden. Foto von 1942 oder 1943.Fotograf: Rudolf Breslauer. Quelle: Wikimedia Commons. Rechte: Public Domain

 

Quellen

 

Beate Kleinert und Wolfgang Prinz: Namen und Schicksale der Juden Kassels 1933-1945, Hg. Stadt Kassel 1986

Bundesarchiv

Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden

Stadtarchiv Kassel

Meldeakten | Hausstandsbuch Mittelgasse 44 | Adressbücher Kassel

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden

Entschädigungsakte Magnus, Bestand 518 27068 + 67419

Helmut Thiele: Die jüdischen Einwohner zu Kassel

 

 

 

Jochen Boczkowski, November 2020

 

 

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