Hans Menges

Ahnatalstraße 46 (Elfbuchenstraße, Königin-Elena-Straße, in der NS-Zeit auch: Viktor-Lutzestraße)

Bereits Jahre vor 1933 ein Anhänger der NS-Bewegung, wurde Hans Menges nach 1933 ihr Gegner. Denunziationen seiner regimekritischen Äußerungen führten zu seiner Verhaftung, Verurteilung und Hinrichtung.

 

Seine Sozialisation in der Familie, der Schule und an der Universität führte Hans Menges dazu, vom nationalsozialistischen Gedankengut angezogen zu werden. Er wurde am 20.4.1909 in Karlsruhe als Sohn des Drogisten Philipp Menges geboren, der den Burschenschaften nahestand, und als er nach dem Abitur Ostern 1927 zum Wintersemester 1927/28 das Studium der Architektur an der Technischen Universität Karlsruhe aufnahm, war es für ihn wohl selbstverständlich, einer (schlagenden) Burschenschaft – der Arminia Karlsruhe – beizutreten. Zu dieser Zeit unterschied sich das burschenschaftliche völkische Gedanken­­gut kaum von der Ideologie des Nationalsozialismus und die Studentenschaft insgesamt war eine Hochburg seiner Bewegung. Hans Menges trat zum 1. Dezember 1929 der NSDAP bei und wurde gleichzeitig bis zum Ende seines Studiums im Frühjahr 1934 aktives Mitglied im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB).

 

Hans Menges (links) als Burschenschaftler mit seiner späteren Frau Erika (vorne rechts)
Hans Menges (links) als Burschenschaftler mit seiner späteren Frau Erika (vorne rechts)

Zunächst etwa ein Jahr arbeitslos, konnte er über Jahre hinweg keine dauerhafte Anstellung im erlernten Beruf finden, sondern arbeitete seit Mai 1935 zumeist für die Deutsche Arbeitsfront (DAF), bis er 1938 zunächst eine Stelle beim Marinestandortbauamt und dann am 1. Juli 1939 beim Staatshochbauamt in Kassel fand. Hier wurde er als technischer Angestellter vor allem mit denkmalpflegerischen Arbeiten betraut. Sein Lungenleiden stand einer Einberufung zum Wehrdienst entgegen. Mit der festen Anstellung heiratete er im Juni 1939 in München seine langjährige Verlobte, die 1910 in Düsseldorf geborene Erika Fleischmann, deren Vater als Richter tätig und gleichfalls Mitglied einer Burschenschaft war. Der Sohn Manfred kam im Juli 1943 zur Welt.

 

In den ersten Jahren der NS-Herrschaft hatte sich Hans Menges vom Nationalsozialismus abgewendet – wohl wegen der Einblicke in das System, die er bei der Deutschen Arbeitsfront erhielt. In Kassel gewann er zudem auf Grund seiner dienstlichen Tätigkeit Einblick in „Vorgänge, die in dem Gebäude der Gestapo an der Wilhelmshöher Allee stattfanden“, wie sein damaliger Vorgesetzter später aussagte. Menges habe ihn öfter gefragt, „was man tun könnte, um gegen das, was sich hier abspielte, einzuschreiten.“  In einem Spruchkammerverfahren vom November 1947 heißt es über ihn: „Aus dem jugendlichen Anhänger nationalsozialistischer Ideen wurde ein erbitterter und in seinen Äußerungen und Urteilen sehr sarkastischer Gegner des Hitler-Regimes. Menges hat sehr bald nach seinem Eintritt beim Staatl. Hochbauamt in Kassel begonnen, seinen Unmut über das nationalsozialistische Treiben und die Politik der NS-Führer in freimütigen und offenen Äußerungen zu Ausdruck zu bringen. Er arbeitete isoliert und ohne einen organisatorischen Zusammenhang mit anderen Gegnern des Nationalsozialismus zu haben.“ („Urteil“ der Spruchkammer Kassel I vom 10.11.1947 gegen Bohn, Kayser und Noll). Freimut und Offenheit – vor allem am Arbeitsplatz – kosteten Hans Menges am Ende das Leben. Er war, wie sein damaliger Vorgesetzter nach dem Krieg meinte, „wenn nicht direkt leichtsinnig, so doch aber zu vertrauensselig“ in seinen Äußerungen über die Partei, ihre führenden Männer oder den Krieg. Er wurde so das Opfer des Denunziantentums, ohne das der zahlenmäßig eher kleine Apparat der Gestapo seine Terrorherrschaft nicht hätte ausüben können.

 

Denunziationen einer Kollegin und von zwei Kollegen, „die auf ein amtliches Vorgehen gegen Menges hinarbeiteten“ (a.a.O.)  führten 1943 dazu, dass er in das Visier der Partei und der Gestapo (auch des berüchtigten Gestapobeamten Hellwig) geriet, verhaftet und verhört, allerdings wieder freigelassen wurde, da er offenbar in seinem Vorgesetzten im Hochbauamt und auch im Regierungspräsidium Fürsprecher fand. Der Leiter des Staatshochbauamtes Hoffmann verlegte danach den Arbeitsplatz von Menges in sein eigenes Büro und erwirkte zum 1. März 1944 seine Versetzung an das entsprechende Amt in Hanau. „Die sich für Menges eingesetzt hatten, hielten ihn für gerettet, und er sich selbst wohl auch“, gab Hoffmann 1946 rückblickend zu Protokoll. Es sollte allerdings anders kommen.

 

Als Hans Menges zu einem Urlaub in Kassel war, erfolgte zwei Tage nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 seine erneute Verhaftung und Inhaftierung im Polizeigefängnis und der Untersuchungshaftanstalt. Partei und Gestapo führten nun parallel Ermittlungen, was zunächst zur „Ausstoßung“ aus der NSDAP führte. In der Verfügung der Kreisleitung der Partei vom 1.8.1944 heißt es zur Begründung:

„Sie haben gegenüber Ihrer Mitarbeiterin, der Pgn. Vock, wiederholt Bemerkungen über den Führer und die NSDAP gemacht, die geeignet sind, nicht nur die Person des Führers und die Partei in der Öffentlichkeit herabzusetzen, sondern den Glauben des Volkes an den Endsieg zu erschüttern.

Unter anderem haben Sie den Führer Lump, Schuft usw. genannt, dass wir den Krieg nicht mehr gewinnen können und dass die Partei ausgespielt habe. Ihrer Mitarbeiterin haben Sie ferner geraten, ihre Uniform schnell aufzutragen, da sie nach dem Krieg doch keine Verwendung mehr hierfür habe. (…)

Gerade jetzt in diesen entscheidungsvollen Wochen, wo für das deutsche Volk eine Zerreißprobe beginnt wie noch nie in seiner Geschichte, bringen Sie es fertig, der schwerkämpfenden Front in den Rücken zu fallen. Wo es darauf  ankommt, alles zu unterlassen, was den Glauben in unserem Volke an seine gerechte Sache und den Endsieg erschüttern könnte, machen Sie bedenkenlos derartige Äußerungen. Die Unantastbarkeit des Führers ist für Sie ein leerer Begriff. Wer, wie Sie zu klein ist für die große Bewährung, die das Schicksal uns allen auferlegt, verrät die kämpfende Front. Durch Ihre Haltung beweisen Sie eine Charakterlosigkeit, die Sie für die NSDAP und für die Volksgemeinschaft als untragbar erscheinen lässt.“

Darüber hinaus wurde das Verfahren gegen Hans Menges zur Sache des Volksgerichtshofes in Berlin und er kam in das Gefängnis Berlin-Moabit. Die Verhandlungen vor dem obersten Sondergericht am 8. September, 5. Oktober und schließlich 26. Oktober 1944, bei denen Zeugen aus dem Staatshochbauamt wiederum gegen Menges aussagten, endeten mit dem Todesurteil wegen Wehrkraftzersetzung.  Erika Menges wohnte einer der Verhandlungen bei, konnte mit ihrem Mann auch noch Briefe wechseln, ihn einmal besuchen. Sie erfuhr so von einem Gnadengesuch, das er eingereicht hatte, aber erfolglos bleiben sollte, obwohl seine früheren Vorgesetzten Hoffmann und Schwarzer Ende Oktober noch für das Gericht Zeugnisse ausstellten, die für das Gnadengesuch hilfreich sein sollten. Hans Menges wurde am 27. November 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet. Erika Menges, die mit dem einjährigen Sohn Manfred inzwischen nach Westpreußen gegangen war, erfuhr in einer lapidaren Mitteilung des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof: „Das Urteil gegen Ihren Ehemann Hans Menges ist am 27. November 1944 um 13.14 Uhr vollstreckt worden. Die Veröffentlichung einer Todesanzeige ist unzulässig.“ Erika Menges erhielt später die Hinterlassenschaften ihres Mannes. Dessen Testament, das er im Oktober in der Haft verfasst hatte, bedachte neben der Familie vor allem auch die Katholische Kirche.

 

In der Haft in Berlin scheint Hans Menges geahnt zu haben, wie die Öffentlichkeit später häufig mit Menschen, die sich dem Nationalsozialismus entgegenstellt hatten, umgehen sollte. In einem seiner letzten Briefe spricht er von der „Schande“, die er über die Familie gebracht habe und die ihr noch Leiden zufügen werde. Erika Menges verschwieg ihrem Sohn, der seinen Vater nie wirklich kennen gelernt hatte, dessen wahres Schicksal. Für ihn war er nicht aus dem Krieg zurückgekehrt.

 

In den Spruchkammerverfahren auf Grund des „Gesetzes zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus“  gegen Bohn, Kayser und Noll, über die die örtlliche Presse berichtete, ging man mit den Denunziationen hart ins Gericht. Wer denunzierte, wurde – falls er nicht ohnehin als Hauptschuldiger galt – als „Aktivist“ in die Gruppe 2 der Belasteten eingereiht. Für die Denunzianten im Fall Menges, die den Weg zum Justizmord öffneten, bedeutete dies mit dem Spruch vom 10.11.1947 zwar den Verzicht auf die Einweisung in ein Arbeitslager, was der öffentliche Ankläger gefordert hatte, jedoch umfangreiche „Sühnemaßnahmen“: dreijährige Sonderarbeiten für die Allgemeinheit; Wiedergutmachungszahlungen; dauerhaftes Verbot, öffentliche Ämter zu bekleiden; Verlust der Rente oder Pension; Verlust des aktiven und passiven Wahlrechts sowie des Koalitionsrechts; Beschränkung des Wohnraums und weitere Maßnahmen. Ob dieser Spruch Rechtskraft erlangte, war nicht zu ermitteln. Vor dem Hintergrund der Geschichte der Entnazifizierung und der (Amnestie-) Gesetzgebung der frühen Bundesrepublik ist kaum anzunehmen, dass er so umgesetzt wurde.

 

Feier der schlagenden Burschenschaft Arminia Karlsruhe (Familienalbum Menges)
Feier der schlagenden Burschenschaft Arminia Karlsruhe (Familienalbum Menges)

Epilog

 

Die Deutsche Burschenschaft benutzt heute das Schicksal von Hans Menges, um ihre Geschichte diametral umzudeuten. Auf ihrer Webseite heißt es: „Es gab auch Burschenschafter, die in jener Zeit nicht geschwiegen haben. Hans Menges gehörte nicht zur damaligen Opposition. (…) Aber er hatte sein burschenschaftliches Ethos behalten. Er ging davon aus, in seiner Partei so frei reden zu können wie er es im Kreise der Bundesbrüder konnte.“

Ein freiheitliches Ethos aber war – wenn es überhaupt dort je eines gegeben hatte – den Burschenschaften fremd. Seit dem Beginn der 1920er Jahre war der „Geist“, den sie vertraten, nicht vom nationalsozialistischen Ungeist zu unterscheiden - mit allem was dazu gehört, auch dem Antisemitismus und schon früh 1933 der Einführung des Führerprinzips. Dietrich Heither kommt in der Frage des Verhältnisses der Burschenschaften zum Nationalsozialismus zu der Schlussfolgerung: Es „soll nicht in Abrede gestellt werden, dass auch Korporierte vereinzelt Widerstand leisteten – diese befanden sich aber in Gegensatz zu Ideologie wie Praxis ihrer Verbände, wurden trotz und nicht wegen ihrer Korporationszugehörigkeit zu Gegnern des Naziregimes.“

Gerade dies ist wohl das Bemerkenswerte an der Biografie von Hans Menges.

 

Schreiben des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof an die Witwe
Schreiben des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof an die Witwe

Quellen und Literatur

 

Dokumente im Besitz von Manfred Menges (u. a. Urteil der Spruchkammer Kassel I vom 10.11.1947 gegen Bohn, Kayser und Noll und Schreiben von Erika Menges zum Spruchkammerverfahren; Lebenslauf von Hans Menges; Briefe an ihn und von ihm während der Haft)

Gespräch mit Manfred Menges am 28.2.2018

Fotos im  Besitz von Manfred Menges

HHStAW Best. 518 Nr. 68065 (Entschädigungsakte)

Dvorak, Artikel „Menges, Hans“, in: Biografisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft, Band I Politiker, Teil 4, S. 80f.

Dietrich Heither, Burschenschaften, Köln 2013

Hermann Ries, Hans Menges (Arminia Karlsruhe) zum Gedächtnis, in: Burschenschaftliche Blätter 74. Jg., Heft 5 (Mai 1959), S. 121

Webseite der Deutschen Burschenschaft (abgerufen am 1.3.2018)

 

 

Wolfgang Matthäus

März 2018

Verlegung des Steins am 24.5.2018

 

 

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