Richard Henning

Eberhard-von-Wildungen-Str. 26

Richard Oskar Julius Henning wurde am 26.08.1895 in Kolberg (Pommern, heute Polen) als Sohn der evangelischen Eltern Richard und Mathilde (geb. Sewerin) Henning geboren. Über seine Kindheit und Jugend ist nur wenig bekannt. Er absolvierte eine Ausbildung als Maurer und lebte, als er nach Kassel kam, in der Auguste-Viktoria-Straße 13 (heute Breitscheidstraße).

Im Alter von 21 Jahren heiratete er am 09.06.1917 die gebürtige Wehlheidenerin Anna Barbara Reuter (geb. 07.02.1895). Sie stammte ebenfalls aus einem evangelischen Elternhaus.  

Von links: Anna Barbara und Richard Henning, Gerda, Hermann und Annemarie Henning (Foto von Michael Henning, Selters/Taunus)

Im Ersten Weltkrieg diente er an der Front und erlitt eine Verletzung, die eine chronische Unterarmfistel zur Folge hatte. Bereits zu diesem Zeitpunkt riet ihm ein jüdischer Arzt wegen der Schwere der Verletzung zur Amputation des Unterarms. Dies lehnte er jedoch ab, sodass ihm der geschädigte Arm für den Rest seines Lebens zusetzte und es ihm nicht ermöglichte, seinen Beruf fortzuführen. Gegen Ende des Krieges, am 05.04.1918 wurde der erste Sohn Hans Joachim Henning in Kassel geboren, danach Karl-Heinz und am 28.11.1928 Annemarie. In dieser Zeit gab es regen brieflichen Austausch mit Verwandten in Kolberg, die sie dazu ermunterten die Gottesdienste der kleinen Gemeinde der Bibelforscher in Kassel zu besuchen. Anfang der 1930er Jahre ließen sich Richard und Anna taufen und wurden aktive Mitglieder der Gemeinde. Von 1933 bis 1936 arbeitete Richard als Adressenschreiber in Heimarbeit für das Adressbüro Knöppel in der Hohenzollernstraße. Dort wurde er für seine Arbeit sehr geschätzt. Am 13.12.1936 verhaftete man ihn in der Wildungenstraße 26 (heute: Ludwig-von-Wildungen-Straße) auf Grund seiner religiösen Zugehörigkeit zu den Bibelforschern und mit großer Wahrscheinlichkeit in Verbindung mit einem reichsweiten Protest am 12. Dezember, bei der den Zeugen Jehovas die Verteilung von etwa 100.000 Flugblättern mit der sog. „Luzerner Resolution“ gelang – eine einmalige Untergrundaktion unter der Herrschaft ders Nationalsozialismus. An ihr waren auch mehrere Kasseler Zeugen beiteiligt.

Bis zum 22.12.1936 war Richard Henning im Polizeigefängnis im Königstor, wurde dann in das Untersuchungsgefängnis Leipziger Straße 11 verlegt und am 08.02.1937 in die Strafanstalt Wehlheiden. Am 05.05.1937 verurteilte ihn ein Sondergericht des OLG Kassel wegen “Vorbereitung zum Hochverrat” zu knapp zwei Jahren Haft. (Nach seinem Tod wurde dieses Urteil aufgehoben). Dies brachte ihn am 12.05.1937 für zunächst knapp drei Wochen in das Gefängnis nach Hannover und am 28.05.1937 für nahezu zwei Jahre nach Berlin-Plötzensee (er war dort im Haus 1 des Gefängnistraktes untergebracht). Laut Berichten seiner Frau erlitt er in dieser Zeit Schläge auf Kopf und Arm, sowie Tritte in die Leibgegend und wurde völlig unzureichend ernährt. Außerdem wurde seine bereits bestehende chronisch offene Wunde nicht wie vorher sorgfältig ärztlich behandelt und verschlimmerte sich weiter.  

Gefangenenkarte Berlin Plötzensee ( Landesarchiv Berlin A Rep 369)

Sein Arzt Dr. med. Hans v. Hagen, der ihn bereits vor seiner Inhaftierung kannte und ungefähr 20 Jahre als Patient betreute, schildert seinen Zustand rückblickend als außerordentlich verschlechtert. Bis zur endgültigen Entlassung am 09.03.1939 wurde er in das Gestapo-Gefängnis in Berlin gebracht.

Erwähnenswert ist, dass während dieser Zeit seine Ehefrau Anne Henning vom 01.07. bis 01.10.1937 ebenfalls auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu der Gemeinde der Zeugen Jehovas in Schutzhaft war. Die 8-jährige Tochter Annemarie wurde in dieser Zeit bei einer “linientreuen” Familie untergebracht.

Trotz der Schwächung durch die Haft begann Richard im April 1939 nach seiner Entlassung, bei der Firma Emil Dittmann als Bote zu arbeiten. Während dieser Zeit fiel der gemeinsame Sohn Karl-Heinz im Zweiten Weltkrieg mit nur 24 Jahren. Bis zum Bombenangriff auf Kassel im November 1944 (in der Nacht vom 09. auf den 10.11.1944) war er bei diesem Unternehmen beschäftigt. Außerdem versuchte er die Familie durch nebenberufliche Kunstmalerei über Wasser zu halten. Da bei diesem Angriff ebenfalls die Wohnung der Familie Henning zerstört wurde, evakuierte man sie nach Hann. Münden. Im Juli 1945 kehrte Richard mit seiner Familie nach Kassel zurück und bezog eine stark beschädigte Wohnung in der Helfensteinstraße 26, die laut späteren Dokumenten als besonders misslich eingestuft wurde. Im selben Jahr arbeitete er von April bis September als Pförtner bei der Firma Karl Anton Henschel.  

Ärztliche Bescheinigung aus den Entschädigungsakten von Richard Henning (HHStAW 518, 7509)

Laut Bericht des Arztes Dr. Hans von Hagen, der in der Kriegszeit auch Repressalien erleiden musste, kehrte Richard Henning als kranker Mann aus der Haft zurück. Er litt zu dieser Zeit “an Ohnmacht mit epileptischen Anfällen, die er früher nicht gehabt hat, oder die er wenigstens bis dahin nicht zu behandeln brauchte, da er nie darüber geklagt hat”. Die chronische Knochenmarkeiterung, die schon vor der Haft ärztliche Behandlung benötigte, war mittlerweile viel größer und schlimmer geworden, sodass dort stellenweise bereits Knochen bloßlagen und wiederholt Knochensplitter abgestoßen wurden. Da sich das Armleiden so stark verschlimmerte, riet sein Arzt, trotz Krieg, wiederholt zur Operation mit möglicher Amputation.

Am Morgen des 25.01.1946 starb Richard Henning in seiner Wohnung in Kassel im Alter von 50 Jahren im Kreise seiner Familie in sehr ärmlichen Verhältnissen. Die Todesursache wird in der Sterbeurkunde sowie im Obduktionsbericht jeweils unterschiedlich beschrieben. Sein Hausarzt diagnostizierte ein sich während des Krieges gebildetes Herz- sowie Leberleiden als Todesursache. Dieses hatte sich auf Grund des gesamtheitlich geschwächten Zustandes rasch entwickelt. Die Ehefrau gab später zu Protokoll: “Mein Mann starb an den Folgen eines Kriegsleidens, welches sich während der Haft verschlimmerte.” So wird es auch vom letzten noch lebenden Nachkommen, Michael Henning aus Selters/ Taunus berichtet.

 

 

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